Streuobstkolumne

Interview mit Otto Bachmann in Gresshausen

Otto Bachmann aus Gresshausen ist der dritte Interviewpartner für unsere Streuobstkolumne. Dass ihm das Thema Streuobst persönlich sehr am Herzen liegt, zeigt auch seine eigene Streuobstwiese, um die er sich leidenschaftlich kümmert. Der heutige Artikel beschäftigt sich mit dem ganz persönlichen Reiz des Streuobstes, der Kunst der Veredelung und mit welchen Möglichkeiten die Wertschätzung für Streuobst zukünftig gefördert werden könnte.

 

Seit wann beschäftigen Sie sich mit Streuobst und was macht für Sie der Reiz von Streuobst aus, Herr Bachmann?

Ich bin von Klein auf mit Streuobst aufgewachsen, habe mit meinem Vater schon Bäume geschnitten und veredelt. Streuobst war Opas Element und jede Generation in unserer Familie hat die Obstwiese weitergeführt und Obstbäume gepflanzt. Mein Ziel war es immer den Menschen zu vermitteln, wie viele Streuobstsorten es gibt und wie unterschiedlich sie vor allem im Gegensatz zum gekauften Obst im Supermarkt schmecken.

Streuobst "Birne"

Wie groß ist Ihre Streuobstwiese und wie wird sie genutzt?

In den 1930ern wurde die Obstplantage von meinen Großeltern gepflanzt. Heute zählen wir in etwa 70 – 80 Bäume, darunter befinden sich viele alte Sorten vom Brettacher, Ontario und Danzinger Kant Apfel, Birnen wie die Gräfin von Paris, Zwetschgen-, Kirschen- hin zu Nussbäumen.

Sobald das Obst erntebereit ist, wird es von Hand gepflückt. Einen Rüttler habe ich selbst gebaut und bei den Nussbäumen ausprobiert, aber davon bin ich schnell wieder abgekommen. Das meiste Obst nutze ich für uns selbst, lagere dieses ordentlich, sodass wir bis April oder Mai davon essen können. Die Pastorenbirne verkaufe ich zum Großteil an Schnapsbrennereien. Die Pastorenbirne ist übrigens auch meine Lieblingsbirne. Sie ist lange sehr hart, deshalb sehr gut zum Lagern und im November bis Dezember sehr saftig. Und selbstverständlich gehört der Boskoop auch zu meinen Favoriten.

Aufgrund des unterschiedlichen Ernteertrages pro Jahr, wie beim Boskoop beispielsweise, welcher Apfelerträge alle zwei Jahre von 50 kg bis zu 5 Zentner erbringen kann, werden Aufträge mit Großkunden erschwert. Früher hatte ich einen Großkunden, der alle vier Wochen von September bis Dezember 20 kg Äpfel gekauft haben. Der Verkauf lohnt sich für mich natürlich erst bei mehreren Kilogramm an eine Person. Falls Interesse und Wertschätzung bei der Person für Streuobst vorhanden sind, nehme ich mir aber natürlich gerne auch die Zeit, die Streuobstwiese zu zeigen. Aber genau das ist das Problem, meines Erachtens nach, dass die Menschen eher geringe Mengen an Obst erwerben wollen, weil sie nicht das Wissen zum Lagern von Obst besitzen oder der Aufwand hierfür zu groß ist. Eigentlich genügt es, das Obst in Kisten auf den Balkon mit Nord und Ostseite zu stellen und dieses zuzudecken. Bis zu 2-3 Grad Minus halten die Äpfel aus. Aufgrund der Tatsache, dass mein Obst nicht behandelt und gespritzt wird, kann selbstverständlich auch mal eine Made darin enthalten sein, was zusätzlich die Personen abschreckt, Streuobst zu kaufen. Ich möchte mit dem Verkauf von Streuobst kein großes Geld verdienen, sondern die Wertschätzung innerhalb der Gesellschaft für Streuobst unterstützen. Die Wertschätzung für Streuobst war früher viel größer, da gabs es auch noch beispielsweise viel mehr leidenschaftliche Mitglieder*innen in den Gartenbauvereinen. Aber die Mitglieder*innen und die Leidenschaft sterben immer mehr aus.

Hornisse, Lebensraum Streuobstwiese, Foto: Felix Jäger

Wie viel Zeitaufwand müssen Sie für Ihre Streuobstwiese im Jahr einplanen?

50 Stunden im Jahr verbringe ich in etwa auf meiner Streuobstwiese, wobei ich dabei zeitlich noch ganz gut und schnell hinkomme. Der Pflegeaufwand richtet sich nach dem Alter des Baumes. Die alten Bäume benötigen nicht mehr so viel Pflege. Nachdem bei uns die alten Bäume, welche in den 1930er Jahren gepflanzt wurden, so langsam absterben, werden nur vereinzelt etwas Äste abgeschnitten, damit nochmal neue treiben können, die letztlich zu Veredelungszwecken z.B. auch genutzt werden. Die Jüngeren, welche in den 1960er von meinem Papa gepflanzt wurden, haben aktuell das beste und ertragreichste Alter. Diese schneide ich alle 3 bis 5 Jahre aus, wobei das natürlich immer individuell nach Trieb betrachtet werden muss, sodass der Baum nicht ausreißt. Die Bäume, die wir in den 1990er gepflanzt haben, benötigen einen Sommer- und Herbstschnitt. Je jünger der Baum also ist, desto mehr Pflege benötigt er. Da fällt auch viel Schnittholz an, welches weggebracht werden muss. Neben dem Schneiden benötigen die jungen Bäume auch einen Schutz vor Wildfraß. Zusätzlich wird noch die Mahd benötigt, wobei bestenfalls um die Bäume und nicht auf der ganzen Wiese gemäht werden sollte. Der Rasentraktor sorgt dafür, dass die Äste der Bäume nicht abgerissen werden. Die mehrmalige Mahd im Jahr erleichtert das Auflesen des Obstes und die Nagetiere, die sich gerne an dem Obst und an den Wurzeln der Bäume erfreuen, können sich nicht im hohen Gras vor Falken und weiteren Feinden verstecken.

Trotz der vielen und guten Pflege merkt man auch hier den Bäumen an, dass sie von der übermäßigen Trockenheit der letzten Jahre Schaden genommen haben. Der Rindenbrand ist ein Übeltäter, welcher die gestressten Bäume angreift. Durch zusätzliche Bewässerung, vor allem an den jungen Bäumen, lässt sich dieser bisher aber in den Griff kriegen. Dass sich aber nicht nur ungebetene Gäste, wie der Rindenbrand, auf der Streuobstwiese aufhalten, zeigt die Vielfalt der Lebensräume von Hornissen, Waldkauz, Spatz- und Blaumeisen, Dohlen, Bunt- und Grünspecht. Selbst in der Scheune, die sich direkt neben der Streuobstwiese befindet, haben sich Falken und Schleiereulen ein Zuhause gebaut.

Die Kunst der Veredelung zum Erhalt der Sorten

Neben der Vielfalt an Lebensräumen sorgt die Veredelung dafür, dass die Vielfalt der Sorten, beim Absterben eines Baumes, erhalten bleibt oder auch dass man einige Wochen mit verschiedenen Sorten Zwetschgen an einem Baum versorgt werden kann. Übertrieben gesagt, kann ein Baum sogar mit 20 Sorten veredelt werden. Das Wichtigste bei der Veredelung sind die Edelreise. Ende Dezember bis Anfang Januar ist laut dem Mondkalender die Beste Zeit diese zu schneiden. Die Edelreise werden dann über den Winter in einem Felsenkeller gelagert. Sie werden in Zeitungspapier eingewickelt und in einen Eimer mit Sand gesteckt. Wichtig ist dabei, dass die Edelreise kein Licht abbekommen und nicht austrocknen, weshalb der Sand stets durch die Zugabe von etwas Wasser befeuchtet werden muss. Eine Beschriftung sorgt für Erleichterung bei der Sortenbestimmung. Durch die Veredelungsbörse kann man problemlos Edelreise auch von auswärts erwerben und generelle Veredelungstipps gibt es mittlerweile in zahlreichen Tutorials bei YouTube.

 

Was wünschen Sie sich hinsichtlich der Entwicklung von Streuobstwiesen für die Zukunft?

In Ebern beispielsweise gibt es ein jährliches Apfelfest, welches von der Kreisfachberatung Hassberge veranstaltet wird. Ein Pomologe bestimmt das von der Bevölkerung mitgebrachte Obst. Ich würde es toll finden, wenn solch ein Fest auch bei uns stattfinden würde. Wir haben tolle Streuobstwiesen in der Gemeinde, die sich für solch eine Aktion anbieten würden.

Auch wären Kooperationen mit Schulen, Kindergärten oder Altenheimen eine super Idee für die Zukunft. Wir könnten wöchentlich einen Korb bei den Schulen und Kindergärten hinstellen, damit die Kinder lernen, was ein richtiger Apfel ist und wie dieser schmeckt. Die Bewohner*innen von Pflegeheimen würden durch den Geschmack des Streuobstes an frühere Zeiten erinnert werden. Aber um solche Kooperationen herzustellen, fehlt mir die Zeit.

Ebenfalls würde ich mir auch wünschen, dass die Gesellschaft generell wieder mehr Interesse an Streuobstwiesen hat und vielleicht sogar die Streuobstbäume, ob in privater oder kommunaler Hand, von interessierten Familien und Personen gepflegt und geerntet werden könnten. Eine mobile Saftpresse oder eine räumliche Nutzungsmöglichkeit zur Verwertung von Streuobst wäre ideal, damit jeder hier im Umkreis sein (eigens geerntetes) Obst verarbeiten könnte.

"Von der Hand in den Mund", Foto: Felix Jäger