Streuobstkolumne

Interview mit Johannes Bayer von der Kreisfachberatung

Der erste Interviewpartner für unsere Streuobstkolumne ist Johannes Bayer, Kreisfachberater für Gartenbau und Landespflege im Landkreis Hassberge. Er gibt uns heute hilfreiche Tipps rund um die Neuanlage und Pflege von Streuobstwiesen, finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten und welche Bäume geerntet werden dürfen.

 

Welche Aufgaben hat die Kreisfachberatung und welche Rolle spielt das Thema Streuobstwiese dabei?

Die Aufgaben der Kreisfachberatung für Gartenbau und Landespflege sind vielfältig und umfangreich. Wie der Name schon sagt, beraten wir die Bürgerinnen und Bürger sowie die Gemeinden im Landkreis. Wir unterstützen und geben Empfehlungen für alle Themen rund um den Gartenbau als auch bei der Gestaltung innerörtlicher Bereiche, wie dem Dorfplatz oder dem Friedhof. Die Außenanlagen an den Liegenschaften des Landkreises werden von uns betreut und durch unseren Grünpflegebetrieb angelegt und gepflegt. Weiterhin ist bei uns die Geschäftsstelle des Kreisverbandes für Gartenbau und Landespflege angesiedelt. Hier werden viele Aktionen und Projekte der Obst- und Gartenbauvereine im Landkreis initiiert.

Die Themen Streuobst und Streuobstwiesen spielen bei uns eine wichtige Rolle. Wir setzen uns dafür ein, dass das Naturbewusstsein der Bevölkerung für die Kulturlandschaft der Streuobstwiesen erhalten und gestärkt wird, sodass die Nachfrage nach Streuobst wieder steigt.

Die meisten Anfragen der Bürger*innen beziehen sich auf Fragen rund um empfehlenswerte Sorten und auf die Anlage von Streuobstwiesen. Vereinzelt kommen auch Fragen hinsichtlich der finanziellen Förderungen. Ab September bis November treffen die meisten Anfragen ein, da zu dieser Zeit der Erne und Pflanzung das Thema am präsentesten ist. Bei der Neuanlage von Streuobstwiesen stellen wir zum einen Sortenempfehlungen in Form einer Empfehlungsliste hinsichtlich Standort, gewünschte Verarbeitung, Reife, etc…aus.

 

  Sortenempfehlung der Kreisfachberatung Haßberge

 

Weltweit gibt es ca. 20.000 Sorten – alleine vom Apfel. Bei uns in Bayern gab es schätzungsweise mal ca. 2.000 Kernobstsorten. Heute werden noch rund 400 Sorten in den Baumschulen angeboten. Warum vor allem „Alte Sorten“ auf den Streuobstwiesen gepflanzt werden sollten, liegt nicht nur an dem Erhalt der biologischen Vielfalt und der vielen verschiedenen Sorten, sondern diese sind auch gegen auftretende Krankheiten häufig resistenter als die bekannten Sorten aus dem Supermarkt und kommen mit den Witterungsbedingungen besser zurecht. Es gibt aber auch einige Neuzüchtungen, die für den Streuobstanbau gut funktionieren.

Bezüglich des Klimawandels haben wir unsere Empfehlungsliste derzeit noch nicht angepasst, weil diese Sorten noch sehr gut funktionieren. Grundsätzlich sind Obstsorten derzeit noch relativ wenig vom Klimawandel betroffen. Die Birne, wie auch der Walnussbaum sind beispielsweise sehr hitze- und trockenresistent. Problematisch könnte es zukünftig zum Beispiel beim Apfel und bei der Zwetschge werden, die in Trocken- und Hitzeperioden leiden.

Je nach Bedarf helfen wir bei der Neuanlage von Streuobstwiesen mit einer Entwurfsskizze bis zur Übergabe der Empfehlungsliste mit, auch beraten wir, inwieweit die Fläche überhaupt für Streuobst geeignet ist. Die Pflanzung der Bäume übernehmen die Bürger*innen, Bauhofmitarbeiter*innen und Mitglieder*innen der Gartenvereine, die im Herbst oder Frühjahr durchgeführt werden.

Auf der Streuobstwiese sollten die Bäume im Abstand von mindestens acht Metern gepflanzt werden, da die Hochstammbäume im Durchschnitt vier bis sechs Meter breit werden. Der Herbst eignet sich als beste Pflanzzeit, da der Baum nach der Pflanzung schon Feinwurzeln bilden kann und im Frühjahr umso schneller anwächst. Sie bekommen also direkt einen Startvorteil. Bei der Pflanzung der Bäume ist es wichtig, dass durch einen Pflanzschnitt die Struktur der Baumkrone mit dem Verlauf der Äste angelegt wird. Der ideale Aufbau des Baumes beinhaltet einen durchgehenden Leitast in der Mitte mit vier bis fünf Seitentrieben, die sich zu den Starkästen entwickeln werden und letztlich den Fruchtastaufbau steuern. Überschüssige Triebe sollten entfernt werden. Auch zu steile Triebe müssen weggeschnitten werden, denn je flacher die Seitenäste wachsen, desto besser kann das Baumgerüst nach außen gezogen werden. Dieser erste Schnitt nennt sich Pflanzschnitt.

Wenn Wühlmäuse zu erwarten sind, sollte der Jungbaum bei der Pflanzung ein Sechseckgeflecht um die Wurzeln erhalten, sodass die Wurzeln von den Mäusen geschützt werden. Ein Baumpfahl sorgt dafür, dass der Baum nicht durch Stürme umgerissen werden kann. Falls notwendig, müssen die Jungbäume im Anschluss bewässert werden

Zwischen fünf und zehn Jahren dauert der Erziehungsschnitt, durch den die Grundstruktur des Baumes angelegt wird. Für den ersten Ertrag der Obstbäume muss man nach Pflanzung ca. fünf Jahre warten. Die erste beschauliche Anzahl an Äpfeln hängt sogar schon nach zwei bis drei Jahren am Baum.

Die Kunst des anschließenden regelmäßigen Pflegeschnitts fokussiert sich auf das richtige Verhältnis zwischen Wachstum des Baumes und der Fruchtbildung. Sobald zu viel weggeschnitten wird, reagiert der Baum mit Wachstum – er will sich selbst retten. Wenn zu wenig weggeschnitten wird, reagiert der Baum kaum und bildet dementsprechend kein neues Fruchtholz aus und veraltet. Deshalb ist ein regelmäßiger Pflegeschnitt für den Ertrag sehr wichtig.

Falls ein Baum über Jahre hinweg vernachlässigt wurde, sollte man nicht auf einmal zu viel Äst entfernen. In dem Fall würde der Baum mit sehr viel Wasserschossen nachtreiben, was letztlich die Anfälligkeit für Krankheiten erhöht und die Obstbildung verhindert. Der richtige Pflegeschnitt für vernachlässigte Bäume sollte daher eher langsam und über die Jahre hinweg vorgenommen werden. Ein Kurs zum richtigen Pflegeschnitt sollte hier wahrgenommen werden, um das Wachstum des Baumes verstehen zu lernen.

Johannes Bayer von der Kreisfachberatung

Welche Veranstaltungen werden vom Kreisverband Gartenbau und Landespflege jährlich angeboten?

Die Streuobstexkursion ist ein persönliches Highlight im Jahr. Jedes Jahr sind wir eine Gruppe zwischen 30 bis 50 Leuten, die von einem Pomologen begleitet im Landkreis Streuobstwiesen besucht. Das Ziel der Exkursion ist es nicht nur den Beteiligten einen tiefen Einblick in die Geschichte, Vielfalt und Schönheit von Streuobst(wiesen) zu ermöglichen, sondern auch unbekannte Flächen und Sorten zu bestimmen und zu entdecken. Die vergangenen Jahre fand die Exkursion in Saarhof, Lendershausen und Zell statt. Dieses Jahr werden wir voraussichtlich am 01.10.2021 in Kleinmünster sein. Anmelden kann man sich bereits jetzt schon für die Streuobstexkursion bei der Geschäftsstelle des Kreisverbandes. Falls Sie selbst eine unbekannte Obstsorte im Garten haben, können Sie diese direkt zur Bestimmung durch einen Pomologen mitbringen. Wichtig hierfür ist allerdings, dass Sie mindestens fünf Früchte für eine exakte Bestimmung einer Sorte mitnehmen.

Zum Thema „Alte Sorten“ entdecken und erhalten fällt mir ein konkretes Beispiel ein: Im Landkreis gab es früher die Happertshäuser Birne, deren Bäume aufgrund der fehlenden Pflege als auch altersbedingt abgestorben sind. Lange Zeit kam diese Birnensorte nicht mehr vor. Vor ein paar Jahren konnte ein Edelreiser der Happertshäuser Birne entdeckt und an der Landesanstalt in Triesdorf vermehrt werden. Vor ein paar Jahren konnten wir einige Edelreiser erhalten und neu gepflanzte Bäume mit diesen veredeln. Die Happertshäuser Birne ist im Landkreis zurück und kann nun hoffentlich erhalten werden.

Weiterhin gibt es ein neues Erhaltungsprojekt in Friesenhausen, bei dem mit Robert Lauers Hilfe seltene alte Obstsorten ausgewählt und auf einer neu angelegten Streuobstwiese mit rund 150 Bäumen im vergangenen Jahr gepflanzt wurden.

Der Kreisverband für Gartenbau bietet auch Obstsortenveredelungskurse an, bei dem die unterschiedlichen Techniken der Veredelung praktisch erlernt werden können.

Zum jährlichen Apfelfest in Ebern im Oktober, welches mit dem Bund Naturschutz gemeinsam veranstaltet wird, sind alle Interessierten herzlich eingeladen. Auf dem Marktplatz und am Rathaus finden sich neben einer Apfelsortenausstellung zahlreiche regionale (Verarbeitungs-)Betriebe als auch Baumschulen. Ein Pomologe ermöglicht auch hier wieder eine Sortenbestimmung des unbekannten Obstes aus dem Garten oder der Streuobstwiese.

Welche (finanziellen) Fördermöglichkeiten gibt es für Streuobstwiesenbesitzer?

Finanzielle Fördermöglichkeiten zur Neuanlage gibt es durch das relativ neue Förderprogramm FlurNatur, bei diesem können bis zu 75 % der Kosten für Anlage und Planungsleistung bezuschusst werden. Der Mindestbetrag liegt bei 5.000 Euro, während der Höchstbetrag von 60.000 Euro erreicht werden darf. Antragsteller können sowohl Privatpersonen als auch Vereine, Kommunen und Landwirte sein.

Privatpersonen, Verbände, Vereine des Naturschutzes und der Landschaftspflege als auch Kommunen haben bei der Neuanlage von Streuobstwiesen ebenfalls die Möglichkeit, die Förderung der Kosten bis zu 70 % durch die Landschaftspflege- und Naturparkrichtlinie (LNPR) zu nutzen. Der Antrag wird bei der Unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt Hassberge gestellt.

Pflegemaßnahmen von Streuobstbäumen können in Bayern über das Kulturlandschaftsprogramm (KULAP) und dem Vertragsnaturschutzprogramm (VNP) gefördert werden. Bei beiden Programmen läuft die Förderung über einen Verpflichtungszeitraum von 5 Jahren. Das VPN zahlt Landwirten für die fachgerechte Pflege pro Baum 12 Euro im Jahr. Voraussetzung ist hier eine Stammhöhe von mindestens 1,40 m, während dessen KULAP den Landwirten acht Euro pro Baum jährlich fördert.

Ausstehende Mahd auf der Streuobstwiese, Fotograf: Felix Jäger

Und was müsste Ihres Erachtens nach passieren, damit das Thema Streuobst wieder mehr Wertschätzung erhält?

Der Verkauf von regionalem Obst von der Streuobstwiese und deren Produkte werden mehr und mehr nachgefragt, dieser sollte weiter ausgebaut werden. Mit Hilfe von viel Öffentlichkeitsarbeit und Werbungsmaßnahmen kann sich Streuobst wieder vermehrt als Saft, Most, Muß etc. auf dem Esstisch der Verbraucher finden. Wir haben das gesunde Streuobst häufig direkt vor der Haustür und trotzdem werden häufig die Massenprodukte aus den Supermärkten gekauft. Eigentlich ist es doch toll, wenn mit relativ wenig Aufwand der eigene Saft mit der Familie hergestellt werden kann.

 

An welchen Bäumen darf ich mir eigentlich (kostenlos) Früchte nehmen?

  • Aktion „Streuobst für alle“ der Gemeinden und des Landkreises: Bäume, die im Landkreis mit einem „gelben Band“ gekennzeichnet sind, dürfen und sollen gerne abgeerntet werden.
  • Mundraub: Auf der Homepage unter https://mundraub.org/ findet man eine Übersicht der Obstbäume im Landkreis (und darüber hinaus), deren Früchte ebenfalls geerntet werden können.
  • Streuobstbörse des Kreisverbandes für Gartenbau in Kooperation mit Bund Naturschutz: Vermittlung von Personen, die ihr Obst anbieten und Personen, die auf der Suche nach Obst sind.

 

Wenn wir schon beim Thema „Streuobst ernten und essen sind“ – Haben Sie auch ein Lieblingsstreuobst, Herr Bayer?

Mir persönlich schmecken süß-säuerliche Äpfel und Birnen am besten. Dazu gehören u.a. die Apfelsorten „Jonathan“, „Gelber Richard“ oder auch die neue Sorte „Mars“. Bei den Birnen sind es z.B. die Sorten „Prinzessin Marianne“ oder „Gellerts Butterbirne“.